Kulturgeschichte der Achtsamkeit
17. September 2020, Raum Strozzigasse
Abstract: Dieser Abend richtet sich sowohl an Praktizierende als auch Kursleiter, die ein besseres Verständnis der historischen und kulturellen Kontexte von Achtsamkeit gewinnen wollen, um ihren Handlungsspielraum in diesem Bereich zu erweiternden. Neben informativen Vortragssegmenten wird es dabei auch genügend Raum für Austausch und gelegentliche Praxissequenzen geben.
In der Darstellung moderner Formen von Achtsamkeit lassen sich mittlerweile drei Generationen unterscheiden. Alle drei schöpfen aus den vielzitierten aber selten reflektierten buddhistischen Wurzeln der Achtsamkeit, die tatsächlich in den postkolonialen Entwicklungen in Asien zu sehen sind. Auf dieser Basis und mithilfe wissenschaftlicher Forschung hat Jon Kabat-Zinn das Achtwochenkurs-format MBSR entwickelt, welches den Ausgangspunkt für alle weiteren achtsamkeitsbasierten Interventionen im engeren Sinne darstellt (die erste Generation, ab 1980).
In der Folge kommt es zur Ausbreitung von Achtsamkeit in verschiedene Gesellschaftsbereiche und damit einer sogenannten Achtsamkeitsbewegung. Ergänzend zur Adaptierung buddhistischer Praktiken unter dem Titel der Achtsamkeit entstehen gleichzeitig verwandte Entwicklungen, die ihren Praxisschwerpunkte allerdings mehr im Bereich der Kultivierung von Mitgefühl und Freude haben (die zweite Generation, ab 2000).
Während Achtsamkeit heutzutage – losgelöst von ihren buddhistischen und wissenschaftlichen Wurzeln – mittlerweile zu einer Massenware geworden ist, vollziehen sich im Stillen gerade weitere zukunftsträchtige Entwicklungen. Beispiele dafür sind das Entstehen von zeitgenössischen säkulare Praxisformen, die das Unbedingte in der Form eines non-dualen Gewahrseins als unsere wahre Natur miteinbeziehen, sowie das Vorliegen von beeindruckenden Forschungsergebnissen zu pharmakologischen Wegen zu achtsamkeitsbasierten Fertigkeiten (die dritte Generation, ab 2020).